Stricken - eine nostalgische Reise in die Vergangenheit
Gestrickt habe ich eigentlich schon immer – meine Mutter hat es mir schon früh beigebracht, daher kann man auch von erblicher Belastung sprechen. Meine Mutter hatte zwar Strick- und Häkelnadeln in rauen Mengen - natürlich die Markennadeln von Prym (produzieren mittlerweile auch in Fernost) und war selbstredend Mitglied im Handarbeits-Club von Junghans-Wolle (da hab ich gestern noch in Aachen kurz reingeschaut, war wie immer schön... hach, Wolle ohne Ende!), trotzdem hat sie lieber mit der Strickmaschine gearbeitet. Ging halt schneller, einen Vier-Personen-Haushalt damit zu bestricken.
Irgendwann in den 70ern hat sie sich eine Strickmaschine mit Doppelbett und Lochkarten-System zugelegt, zwar gebraucht, aber super gepflegt. Ich weiß noch, dass am Strickgut Gewichtsplatten angebracht werden mussten, damit das Muster gleichmäßig blieb. Die Platten fielen öfters mal runter, und da Muttern meistens abends strickte, schreckte mein Vater im Nebenzimmer vor dem Fernseher immer hoch und grummelte dann : „Irgendwann steht in der Zeitung, dass deine Mutter beim Stricken von ihrer Maschine erschlagen wurde.“ Leider hatte nach ihrem frühen Tod niemand mehr Verwendung für die Strickmaschine, so dass sie irgendwann verkauft wurde.
Meine Kinder standen bis jetzt nicht so auf selbstgestrickte und kuschelige Pullis und Jacken – bis jetzt eben. Da kam mein Sohn auf einmal an und wollte unbedingt ein Stirnband haben. Weil: „eine Mütze ist ja voll uncool und die vergesse ich sowieso irgendwo.“ Im Bus, in der Schule, bei Freunden – wo Jungs eben so unterwegs sind. Also ein Stirnband. Und weil ich auch gerade beim Stricken war, sollte es schwarz sein und im Wikingermuster. Wikinger sind voll cool; auch für Dreizehnjährige. Blöderweise konnte ich mein Musterbuch für keltische Muster nicht auf Anhieb finden, was mein Mann prompt genutzt hat, um den Bücherschrank und alle Bücherregale zu entrümpeln, vom Keller mal ganz zu schweigen… der Nachmittag war gerettet, ha ha (bloß gut, dass wir keinen Dachboden haben, wer weiß, was da alles noch aufgetaucht wäre).
Na, jedenfalls das gesuchte Buch tauchte schnell auf und noch etwas anderes, was ich total vergessen hatte. Nämlich ein Schätzchen von meiner Großmutter:
Das „Schachenmayr LEHRBUCH der Handarbeiten aus Wolle, erster Band“. Ausgabe von 1934!
Mittlerweile schon altersfleckig und vor Jahren mal in Folie eingebunden, damit der Stoffeinband nicht ausfranst, aber sonst noch top in Schuss. Da kamen vielleicht Erinnerungen hoch! Das Buch hat mir oft weitergeholfen, vor allem beim Stricken mit dem Nadelspiel. Mitte der 80er Jahre war bei uns in der Schule Stricken voll „in“, vor allem im Fach Sozialwissenschaften. Das war so dermaßen öde und trocken, dass wir immer kurz vorm Einschlafen waren. Leider strickten irgendwann fast alle Mädchen (die armen Jungs) und unser Lehrer war vom Geklapper der Nadeln dermaßen genervt, dass er mit Konfiszierung von Nadeln und Wolle sowie einer miesen Zeugnis-Note gedroht hatte. Vollkommen humorlos, dieser Mensch. Dabei haben wir so viele Handschuhe und Schals gestrickt. War schließlich Winter und kalt…
Jedenfalls hat das schöne alte Buch schon fast 90 Jahre auf dem Buckel, aber viele Muster und vor allem die Tipps darin sind zeitlos.
Das Blütenmuster scheint bei meiner Oma besonders beliebt gewesen zu sein, an der Stelle war die Bindung schon immer etwas lädiert.
Das Dornröschenmuster hat eine meiner Tanten geliebt, sie hatte viele Pullis damit gestrickt.
Aus dem Blattmuster hat meine Mutter aus feinem Filet-Garn eine Tischdecke gestrickt, sah richtig klasse aus.
Auch die Pflege-Hinweise gelten ja immer noch, allerdings nehme ich dafür kein Persil, sondern dann doch lieber Wollshampoo…
Ach übrigens, kennt Ihr das auch noch, dass Eure Großmütter damals vorher immer mit HENKO kalt eingeweicht haben? Und bei uns gab es früher in der Verwandtschaft auch immer so eine Art Konkurrenzkampf um das beste Waschmittel. Meine Mutter hat immer auf Ariel geschworen und meine Tante auf Persil. Komischerweise war der Weichspüler egal. Dass ging dann weiter über Hoffmann’s Gardinenweiß und hat bei Pril und Palmolive noch lange nicht aufgehört….
Ganz herrlich fand ich die Hinweise auf die mottensichere „Nomotta-Wolle“ und das Foto von den beiden Puppen ("total creepy" laut meiner Tochter). Ja, und die zerrissene Seite ist unserem Wellensittich damals zum Opfer gefallen. Der musste mit seinem Schnabel auch überall dabei sein…
Vielleicht habt Ihr ähnliche Erinnerungen und ich konnte euch ein bisschen auf der Nostalgiewelle mit surfen lassen. Ich werde jetzt jedenfalls das Stirnband für meinen Sohn zusammennähen und heute Abend das nächste Projekt angehen. Ist für die Figur auch besser als eine Tafel Schokolade.
Bleibt gesund!!!!