Die Osterbräuche in Ost und West haben viel gemeinsames, aber auch viele Besonderheiten. Wenn Sie die Russen fragen, was ihnen der Feiertag bedeutet, werden Sie kein Wort über Osterhasen hören, sondern Osterkuchen, gefärbte oder Pysanki-Eier, Ostergottesdienst und Friedhof.
Hier versuche ich, in loser Abfolge einige Traditionen und Bräuche in der Russischen Föderation bzw. auch anderen osteuropäischen Ländern zu erklären. Diese Folge - Teil 5 - handelt von Traditionen am Ostersonntag.
Am Ostersonntagmorgen wird im Kreise der Familie weitergefeiert. Zusammen mit allen Verwandten werden der geweihte Kulitsch oder das Osterbrot angeschnitten und das reichliche Frühstück vorgenommen.
Danach pilgern Jahr für Jahr Millionen Russen am Ostersonntag auf die Friedhöfe und gedenken ihrer Verstorbenen. Der Gang auf den Friedhof ist ein Überbleibsel aus der Sowjetzeit. Weil es damals verpönt oder gar verboten war, in die Kirche zu gehen, besuchten die Gläubigen die Gräber ihrer Nächsten und begingen dort das Osterfest.
Schnell entwickelte sich daraus eine Art Volksfest, so dass bis heute viele Menschen, ob gläubig oder nicht, zum Friedhof spazieren und dort ein Picknick mit Kulitsch, Pascha und Ostereiern veranstalten. Viele sitzen auch auf den Friedhofsbänken und füttern Vögel mit ein paar Brotresten. Die Stimmung der meisten Besucher ist ausgelassen. Ostern ist schließlich der Tag der Wiederauferstehung - also ein Feiertag der Lebenden und nicht der Toten!
Eine andere Erklärung für den Brauch, an Ostern auf den Friedhof zu gehen, besteht darin, dass das Fest oft mit dem Beginn des eigenlichen Frühlings zusammenfällt, der Schnee gerade geschmolzen ist und viele Gräber tatsächlich gepflegt werden müssen. Eigentlich gibt es für das Andenken an die Verstorbenen in der orthodoxen Kirche einen speziellen Gedenktag, der 10 Tage nach Ostern begangen werden soll. Doch da dieser "Tag der Eltern" auf einen Werktag fällt, sind viel weniger Menschen auf den Friedhöfen als zu Ostern.
Auch die Behörden haben sich mit dieser Sitte schon abgefunden. So richtete zum Beispiel Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow in den vergangenen Jahren wegen des großen Andrangs am Ostersonntag zusätzliche Buslinien zu den Friedhöfen der russischen Hauptstadt ein.
Die orthodoxe Kirche ist mit diesem Brauch aus den genannten Gründen allerdings nicht einverstanden. Man wirft den Behörden die Verletzung des Kirchenkanons und seine Regularien mit dieser Aktion vor.
Die nächste Folge handelt von den mysteriösen XB-Zeichen zu Ostern
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Geschrieben 2019 mit Unterstützung von russischen Künstlern.
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Dieter